Varanasi – die heilige Stadt am Ganges
In der Stadt am Ganges beginnt das Leben mit dem Sonnenaufgang. Am Flussufer stehen prächtige orientalische Bauten mit Zwiebeltürmen, geschwungenen Fenstern und Toren. Sie alle sind uralt, jedes einst erbaut von einem anderen indischen König. Von den Palästen führen weitläufige Treppenstufen hinunter, bis ins Wasser des Ganges hinein. Diese Stufen werden in Indien „Ghats“ genannt. In Varanasi liegen 84 verschiedene Ghats aneinander gereiht am Ufer des Ganges.
Wenn gegen halb sechs am Morgen langsam das Sonnenlicht die ersten Stufen erhellt, kommen Menschen hinunter ans Wasser. Sie tragen kleine silberne Eimerchen oder Krüge mit sich und einen Kulturbeutel mit Seife, Kamm und manchmal auch ihrer Zahnbürste darin. Es sind hinduistische Priester und ihre Schüler, Pilger und auch Bewohner der Stadt. Ihre Morgentoilette vollziehen sie im Wasser des heiligen Flusses. Sie tauchen ein, drehen sich im Wasser um die eigene Achse, falten die Hände und murmeln Gebete. Sie lassen das Wasser durch ihre Hände rinnen und schöpfen es sich in den Mund. Manche von ihnen seifen sich ein, waschen ihre Kleider und manche Frau steigt, bekleidet mit ihrem schönsten Sari in das Wasser des Ganges.
Die Hindus glauben, dass „Mutter Ganges“, wie sie den Fluss liebevoll nennen, sie durch ein Bad in ihrem Wasser am Ufer Varanasis von bösem Karma reinwäscht, ihre Gebete erhört und ihnen zu einem besseren nächsten Leben verhilft.
Leider behandeln sie ihr Heiligtum nicht besonders liebevoll. Das heilige Wasser ist eher eine stinkige Brühe, überall schwimmt Müll herum. Der Ganges ist völlig verschmutzt. Ein Schluck aus ihm und ich würde den Rest der Reise gekrümmt auf der Toilette verbringen, da bin ich mir sicher. Bei meinem ersten Besuch hier, auf einer Reise mit meiner Freundin Suse, vor sechs Jahren, hat ein lustiger Bootsfahrer mal zu mir gesagt „Holy Water makes holy Shit“. Daran muss ich denken, als Nagi und ich in einem Paddeoot sitzen und den Menschen bei ihren Ritualen zusehen.
Die Hindus leben ihre Religion sehr expressiv aus. Sie beten laut, singen, tanzen, gestikulieren und stellen bunte Götterstatuen her und werfen sie als Opfergabe in ihre Flüsse. Hier in Varanasi lassen sie jeden Tag unzählige kleine Schiffchen mit Kerzen darauf ins Wasser hinein. Doch nicht nur mit ihren Opfergaben verschmutzen die Menschen hier den Fluss. Haben sie ihre Gebete gesprochen und ihr Bad genommen, lassen viele auch ihren Müll im Wasser verschwinden.
Reise ins Nirvana
Und noch etwas landet hier massenhaft in den Fluten: Menschliche Asche. Denn wer in der heiligen Stadt Varanasi stirbt, hier verbrannt wird und dessen Asche von den Ghats aus dann in den heiligen Ganges gestreut wird, der entflieht dem ewigen Kreis der Wiedergeburt und geht hinein ins Nirvana – so glauben die Hindus. Aus diesem Grund finden hier im ganzen Jahr über und an jedem Tag viele Feuerbestattungen statt. Dafür gibt es besondere Ghats. Auf ihren Stufen langern haushohe Stapel Sandelholz. Wir sitzen in unserem Padelboot und sehen von Fluss aus an das Ufer. Zwei Männer bringen einen Körper, eingeschlagen in ein weiß-silbernes Laken und hiefen ihn auf einen Holzhaufen. Aus einem anderen Holzhaufen schlagen bereits Flammen heraus. Es riecht nach Holzfeuer.
Wir steigen aus unserem Paddelboot und spazieren durch die schmalen Gässchen der Stadt, auf der Suche nach einem guten Frühstück. Wir landen im Mona-Lisa Café, trinken leckeren Kaffee und essen Omlet und Cheese-Toast. Auf dem T-Shirt des jungen Mannes, der uns bedient, steht: God resigned and I took over today, lets see what I will do.
Mal sehen, was wir noch so tun werden heute…
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